15.04.2017  

Katholischer Brauch mit langer Tradition: In Hergenfeld gehen Kinder an den Kartagen kleppern






HERGENFELD - Endlich dürfen Nele (7) und Till (8) mal richtig Krach machen. Zusammen mit zwei Dutzend anderen Kindern ziehen sie in ihrem Dorf von Haus zu Haus und lassen ihre hölzernen Kleppern ertönen. Die Kinder erfüllen eine ganz wichtige Aufgabe: vom Abend des Gründonnerstags bis zur Ostermesse in der Nacht zum Sonntag schweigen die Kirchenglocken – aus Respekt vor dem Heiland, der während dieser Tage gekreuzigt und begraben wurde. Erst mit seiner Auferstehung in der Osternacht dürfen die Kirchenglocken wieder läuten. In diesen Tagen ohne Glockenklang sind in vielen Dörfern der katholischen Regionen die Klepperkinder unterwegs, um die Tageszeiten zu verkünden und zur Andacht zu rufen. In Hergenfeld singen die Kinder an den Haustüren das „Ave Maria“.

Leonie Theis (17) und Theresa Eul (16) teilen die Kinder in einzelne Gruppen ein, die dann durch die Straßen ziehen. Die beiden haben diese Aufgabe zum ersten Mal übernommen. „Die Älteren wollten einfach mal abgelöst worden. Ich hatte zwar ein bisschen Bammel, aber ich glaube, das klappt schon prima“, meint Leonie und lässt sich nicht nervös machen. Exakt trägt sie jeden Namen in eine Liste ein. Denn nach dem letzten Klepper-Gang am Mittag des Karsamstags gibt es die Belohnung: Die Kinder sammeln an den Haustüren Süßigkeiten und Ostereier ein. Die kommen auf einen großen Haufen und werden dann verteilt. Je öfter ein Kind mitgegangen ist, umso größer ist sein Anteil an den Naschereien.

Gekleppert wird auch in einigen Nachbarorten wie Spabrücken, Sommerloch und Dörrebach. Dieser Brauch ist uralt in katholischen Landen. Schon im 11. Jahrhundert wird in einem Bibelkommentar des Rupert von Deutz das „Schweigen der Glocken“ erwähnt. Um 1630 beschreibt Nikolaus von Kues in seiner „Christlichen Zuchtschul“ die Sitte, an den Kartagen nicht zu läuten und „in dern Platz macht man ein Gethön mit den höltzernen Klappern“.

Römischer Reisbrei mit dem Papst

Der Volksmund kennt noch eine ganz andere Begründung für den Brauch: Während der Kartage fliegen die Glocken nach Rom, um beim Papst die Osterbeichte abzulegen. Oder noch ein wenig lustiger: „Die Glocken essen mit dem Papst zusammen Reisbrei.“ Früher war das Kleppern eine reine Jungensache, und Mädchen waren ausgeschlossen. Das ist aber schon lange anders geworden, vor allem, weil die Veranstalterinnen Leonie und Theresa froh sind über jedes Kind, das mitzieht.

Die Klepper, mit der die Kinder den Krach erzeugen, ist aus Holz gebaut: An einem kleinen Brett mit einem Stiel befindet sich ein beweglicher Hammer. Beim Schwingen des Bretts fällt der Hammer immer wieder mit lautem Knall auf das Brett. Solche Kleppern waren übrigens im Mittelalter ein beliebtes Kinderspielzeug. Bis heute werden sie oft noch in den Familien vererbt. Viele der Hergenfelder Instrumente hat der Orgelbauer Peter Heckmann gebaut. Zu ihm bringen die Kinder die Kleppern auch, wenn sie einmal repariert werden müssen. Inzwischen ertönen in allen Ecken des Soonwalddorfes die Kleppergeräusche. Bei den Anwohnern stößt die Aktion auf freundliche Reaktionen: „Schön, dass es diesen alten Brauch noch gibt“, sagt eine Nachbarin. Die kleine Nele schüttelt ihre Klepper mit aller Kraft: „Das macht richtig Spaß.“ Und Till hat schon den Samstagnachmittag im Blick: „Ich freue mich auf die vielen Süßigkeiten.“

Quelle: Allgemeine Zeitung vom 15.04.2017 Bild und Text: Wolfgang Bartels
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